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FLEISCHRINDER

Wagyu züchten und vermarkten:

Von Südtirol bis Erfurt

Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt

Ariane Haubner am Mittwoch, 24.05.2023 - 10:55

Stefan Rottensteiner aus Klobenstein in Südtirol ist Mitbegründer der Wagyu Zucht- und Vermarktungsorganisation Marblelution und hält selbst 250 Rinder.

Etwa zehn Jahre ist es nun her, dass Stefan Rottensteiner am elterlichen Betrieb dem Oberweidacher-Hof in Klobenstein, Südtirol begann, Wagyus zu halten. „Wir hatten Holstein-Kühe zur Milcherzeugung und waren Vollgaszüchter“, beschreibt der junge Unternehmer die Ausgangssituation. Um rentabel weiterzumachen, wären damals größere Investitionen notwendig gewesen. Der Junglandwirt sah eigentlich keine Zukunft mehr in der Milchviehhaltung. „Ich wollte das Spiel der Bezahlung nach Menge und der gleichzeitigen Abhängigkeit von den Molkereien nicht mehr länger mitmachen, meine Tiere nicht mehr für ein solches System zu Höchstleitungen antreiben“, so sein Statement.

Großer Bedarf, aber schwierige Vermarktung

Daraufhin sah er sich nach Alternativen um und entdeckte durch Zufall die Wagyus. Aus Deutschland und Österreich kaufte er Embryonen und Tiere zu. Mit 25 Tieren startete er schließlich seine Zucht- und Vermarktung, die erste in Italien. Inzwischen leben 100 Wagyu-Rinder auf den 30 ha Weideflächen des Oberweidacher Hofes. Zu Beginn wurde etwa alle zwei Monate ein Rind geschlachtet, heute sind es etwa zwei Rinder pro Woche, die von einem Metzger in Klobenstein geschlachtet werden.

Schnell erkannte der findige Junglandwirt, dass der Bedarf an dem Fleisch groß ist, aber aus regionaler Produktion nicht mal annähernd gedeckt werden kann und deshalb enorm auf Importfleisch zugegriffen wird. Die Direktvermarktung einzelner Tiere ist für die Produzenten, wie er selbst erleben musste, aber sehr aufwendig, denn die Bestände sind oft klein und weit verstreut. Auch die starke Fokussierung vieler Einkäufer auf die Edelteile macht die Vermarktung nicht einfacher, wenn das Ziel eine ganzheitliche Nutzung des Schlachtkörpers ist.

Zucht- und Vermarktungsunternehmen gegründet

Mit drei weiteren Züchtern aus Deutschland, die vor ähnlichen Problemen standen, gründete er schließlich das Zucht-und Vermarktungsunternehmen Marblelution mit Hauptsitz im thüringischen Nessetal in der Nähe von Erfurt. Dort stehen aktuell rund 1500 Wagyu-Zuchttiere. Inzwischen wird auch eng mit der Besamungsstation in Marktredwitz zusammengearbeitet, die Bullen für Marblelution absamt.

Rottensteiner ist in dem Unternehmen für die Fleisch-Vermarktung zuständig. Aktuell werden in Deutschland für Marblelution 400 Tiere pro Jahr geschlachtet. Dazu kommen seine 100 aus Südtirol. In zehn Jahren will man pro Jahr rund 5000 Tiere an den Schlachthaken und in den Verkauf bringen, so die Vision der Gründer.

Partnerprogramm für Landwirte

Deshalb hat die Zucht- und Vermarktungsorganisation ein Partnerprogramm für Landwirte zur Zucht und Mast aufgelegt. Unter dem Motto „Du produzierst, wir vermarkten“ stellt Marbelution den teilnehmenden Landwirten Tiere zum Aufbau einer Zucht und/oder Mast zur Verfügung. Ein Haltungs- und Fütterungskonzept wird den Landwirten an die Hand gegeben, um die gewünschte Qualität zu erhalten. Im Gegenzug wird vertraglich die Abnahme eines jeden Tieres garantiert. Bei der Fleischvermarktung arbeitet das Unternehmen vor allem mit Großabnehmenern zusammen.

Mittlerweile hält Marblelution gemeinsam mit 80 Partner-Betrieben in Deutschland (60), Österreich (14) und Italien (6) mehr als 5000 Wagyu-Rinder und erarbeitete sich in den letzten Jahren den Status des größten Wagyu-Züchters Europas.

Die Wagyu-Zucht in Europa verbessern

Doch nicht nur die Vermarktung, auch die Zucht ist Rottensteiner und Marblelution ein wichtiges Anliegen. Der Südtiroler Wagyu-Spezialist erklärt: „Wir haben hier in Europa noch viel Aufhol- und Verbesserungsbedarf. Das kommt daher, dass Japan seine Grenzen für die Ausfuhr von Kobe und Wagyus vor etwa 30 Jahren schloss und die europäische Genetik wiederum vor allem aus Nachzucht aus Australien oder den USA stammt. Gepaart mit viel Halbwissen, wurde auf Teufel komm raus alles vermehrt, was ging. Häufig mit zu viel Fokus auf die Fleischmarmorierung, was zu Lasten von Schlachtgewichten, Mutterkuheigenschaften oder Milchleistung zur Versorgung es Kalbes ging. Das sind Dinge, die leider in Konkurrenz zueinanderstehen und man muss schon deshalb schon vorher wissen, ob man auf Mutterkühe oder Fleisch selektiert, erzählt der Züchter.

Es wurde bei Marblelution viel selektiert und so langsam kommt man da hin, wo man hinwill. Einen wichtigen Beitrag hat hier die Auswertung von Schlachtdaten ergeben. „Im Schnitt sind wir bei 420 kg Schlachtgewicht“, sagt Rottensteiner. Auch, dass sich einige Züchter an die Zuchtwertschätzsysteme in den USA oder Australien ankoppeln, sei hilfreich.

Zwei Standorte

Inzwischen hat er einen zweiten Hof mit etwa 70 ha Weide und 30 ha Grünland in der Region am Monte Baldo (Provinz Verona) pachten können. Auch hier stehen rund 150 Wagyu-Rinder auf den am Hof arrondierten Weiden auf 1000 m NN. Sein Bruder ist bei ihm angestellt und kümmert sich um den Betrieb. Hinzu kommen zwei weitere Angestellte. Wenn große Arbeiten am Hof anstehen, wie die Heuernte, legt er ebenfalls Hand an.

Langsam wachsen und nicht verfetten

Während am Monte Baldo vor allem Mutterkühe stehen, sind in Klobenstein in erster Linie Masttiere ab einem Alter von 24 Monaten. Sie durchlaufen ihre Vormast aber am Monte Baldo. Die Tiere sind ganzjährig draußen und erhalten neben dem Gras noch Heu, Getreide und Biertreber. Die Endmast beginnt mit 24 Monaten und dauert etwa 12 Monate. Die Tiere sind dann zwar draußen aber nicht mehr auf der Weide und bekommen eine Mischration aus Heu, Getreide und Oliventrester, Futtermittel, die die spezielle Fettzusammensetzung beim Wagyu mit den hohen Anteilen an Omega-3-Fettsäuren noch unterstützten. „Auf jeden Fall soll Wagyu nicht zu schnell wachsen und die Tiere dürfen auch nicht verfetten“, sagt Rottensteiner warnend. Wagyus sind von Haus aus genügsame Tiere und nur über die Zeit entwickeln sich die speziellen Fetteigenschaften und der unglaubliche Geschmack, auch „Umami“ genannt.

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