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Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt

Max Riesberg am Dienstag, 23.05.2023 - 15:52

MUTTERKUHHALTUNG

Rinderhaltung: Neue Wege mit Wagyu

Den Bergbauernhof mit Milchwirtschaft weiterzuführen, schien Familie Astl nicht mehr rentabel. Da entschieden sich die Betriebsleiter, künftig auf Fleischrinder japanischen Ursprungs zu setzen.

Doch Alternativen zur Milchviehhaltung schien es nicht zu geben. Die 58 ha Grünland, zu denen auch 18 ha Alm gehören, sind teils sehr steil und schwierig zu bewirtschaften. Die Hofstelle liegt auf 850 Höhenmetern. Die Weidewirtschaft ist somit seit jeher ein fester Bestandteil der Kreislaufwirtschaft beim „Rieder“, so der Hofname. Und das sollte auch so bleiben. „Also haben wir einen Laufstall an einem exponierten Standort, etwa 100 Meter vom Hof entfernt, geplant. Er war auf 35 Kühe ausgelegt. Genehmigt war der Stall auch schon und er wäre uns summa summarum auf eine Investitionssumme von einer Million Euro gekommen“, berichtet Jungbauer Michael Astl.

Zunächst belächelt worden

Doch dann bekam die Geschichte eine unerwartete Wendung und der ursprüngliche Plan wurde über den Haufen geworfen. Denn über einen Nachbarn und Freund der Familie, Andreas Waller, kam man auf die exotischen Wagyurinder. Waller war schon vor Jahren in die Wagyu-Zucht eingestiegen und gab Familie Astl im Rahmen einer Betriebsbesichtigungstour nach Thüringen weitreichende Einblicke, was alles möglich ist. „Zugegeben, auch wenn man zunächst etwas belächelt wird mit den für die Region eher untypischen Nobelrindern: Das Konzept von Marblelution und vor allem die Faktoren Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit haben uns von Anfang an überzeugt“, betont Astl.

Der Stall wurde umgeplant

So wurde der Stall kurzerhand umgeplant als Kompost- bzw. Tretmiststall für Mutterkühe und deren Absetzer. Mit 20 Wagyukühen, die von Marblelution zu einem Fixpreis gekauft wurden, fiel der Startschuss. „Das läuft in einer gewissen Vertragsform ab. Dabei gibt es einige Kriterien an die Haltung der Tiere, dazu zählt unter anderem das Füttern von Raufutter und der Weidegang. Überhaupt wird Tierwohl bei uns im neuen Stall großgeschrieben“, erklärt der frischgebackene Mutterkuhhalter.

„Außerdem sind die Wagyus so friedlich, ruhig und umgänglich“, freut sich Michaels Frau Pia, die selbst eine komplette Quereinsteigerin in der Landwirtschaft ist. Bestes Beispiel für das „gute Wesen“ der Tiere sei der sechsjährige Stier Mr Kenhana, der derzeit in der Herde mitlaufen darf. Auch einige Pinzgauerkühe aus dem einstigen Milchviehbestand laufen heute noch in der Herde mit und sorgen für die gewissen Farbtupfer in der ansonsten pechschwarzen Herde.

Stallbau mit viel Eigenleistung

Das neue Stallgebäude ist 32 x 20 m groß und nach Norden und Süden mit Curtains sehr luftig und hell gestaltet. „Wir haben fast alles in Eigenleistung mit der Familie und Freunden errichtet. Nur ein Maurer war angestellt“, erzählt Astl. Im Mai 2022 war Baubeginn und im November konnten die Tiere schließlich einziehen. „Ich war schon immer Fan vom Kompoststall. Aber ob es funktioniert und sich rechnet, ist halt immer davon abhängig, welches Einstreumaterial zu welchem Preis zur Verfügung steht“, sagt er. Am Riederhof streut man mit Segemehl und den günstigen Dinkelspelzen ein. Zweimal am Tag wird die Fläche gegrubbert. „Da steigt der Dampf auf“, sagt Sepp Astl und lacht. Durch den trockenen Mist der Tiere funktioniere das System bislang sehr gut. Aber natürlich müsse sich auch das erst weiter einspielen und so möchte man auch mit dem Einsatz von Pferdemist noch experimentieren. Den gibts in der Nachbarschaft. Im Sommer steht der Stall weitgehend leer, da die Tiere auf der Weide sind.

Vermarktung mit Preisgarantie

Die Kälber, die in der Regel problemlos und von selbst zur Welt kommen haben im Kälberschlupf einen Rückzugsort. Sie erhalten Kälbermüsli und Heu zum Start. Auf Silage wird komplett verzichtet. Mit einem halben Jahr werden sie von den Müttern getrennt und mit einem Alter zwischen neun und zwölf Monaten kauft Marblelution die Tiere vom Betrieb zu einem Fixpreis wieder ab. „Mit deren Vermarktung haben wir also nichts zu tun. Die Preisgarantie lässt uns besser kalkulieren und scheint das Risiko für uns relativ gering zu halten“, ist Astl überzeugt. Er hat seine Tiere zusätzlich gegen Ausfall versichert, um letztlich ganz auf Nummer sicher zu gehen.

Gerade in der unsicheren Corona-Zeit diesen Schritt der Betriebsentwicklung gewagt zu haben, sei schon nicht ganz ohne gewesen, ist sich Familie Astl einig. „Doch so konnte es einfach nicht weitergehen. Mit unserer überschaubaren und entbehrungsreichen Berglandwirtschaft können wir mit den Betrieben im Tal einfach am Milchmarkt nicht mehr mithalten“, sagt Sepp Astl überzeugt. Und sein Sohn sollte eine realistische Möglichkeit haben, im Nebenerwerb weitermachen zu können. Denn Betriebe, wie der der Familie Astl, sind auch für den Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft unverzichtbar.

Teilnahme am Weideprojekt

Mit seiner Alm im Sudelfeldgebiet nimmt er an einem Weideprojekt des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern in Zusammenarbeit mit der LfL teil. Dieses läuft unter Federführung des Weidexperten Siegfried Steinberger. Nach der Methode des „magischen Dreiecks der Almbewirtschaftung“ setzt man auf frühzeitigen Auftrieb, gelenkte Weideführung und flexible Anpassung der Tierzahl. So sollen mit idealem Weidedruck Unkräuter und Verbuschung zurückgedrängt sowie Weideflächen rekultiviert werden. „Auch wenn uns viele beim Almauftrieb Anfang Mai noch für verrückt erklärt haben. Das System und der Erfolg geben uns Recht. Wir konnten zehn Stück Vieh mehr auftreiben als üblich und die Wacholderstauden sowie der Bürstling (Borstgras) verschwinden zunehmend von der Bildfläche. Jetzt heißt es dranbleiben. Inzwischen interessieren sich schon viele andere Almbauern für das Projekt. Es müsste eigentlich nur ein Umdenken in de Köpfen stattfinden“, fasst Astl zusammen.

Wagyukühe kommen vorerst nicht auf die Alm

Dass er und seine Familie Spezialisten im Umdenken sind, haben sie bereits mehrmals bewiesen. Auch die letztendliche Bausumme von rund 300 000 Euro für den neuen Stall passe jetzt einfach zum Betrieb. „Es ist zwar noch nicht alles fertig – aber es wird. Und wenn wir den vierten Durchgang an Kälbern verkauft haben, dürften auch die Investitionskosten für die Kühe wieder weitgehend gedeckt sein“, erklärt der Junglandwirt. Allerdings: Die wertvollen Wagyukühe treibt Familie Astl vorerst noch nicht auf ihre Alm. „Da gehen wir bislang kein Risiko ein. Erst Recht nicht, wo Wolf und Bär in unmittelbarer Nähe ihr Unwesen treiben“, sagt Astl wütend, schüttelt den Kopf und streichelt dem sanften Stier Mr Kenhana über den Schädel.

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